Dieser Samstagsplausch handelt von Rampen und Rampenlicht, von Grenzen und Hindernissen, von Verlust von Mobilität, Stillstand und Durchbrüchen. Davon, wie man Grenzen sprengen, Abenteuer wagen und mutig vorangehen kann, auch wenn alles dagegen spricht. Meine Lesung im Kirchbühl ist ein grandioses Zeichen, dass mehr möglich ist, als man manchmal denkt.
Ich verlinke diesen Samstagsplausch mit dem Karminrot-Blog und dem Karminroten Lesezimmer und freue mich, dass du hierher gefunden hast und mich bei meinem Abenteuer begleitest.
Es begann mit:
Stillstand
Letzten Samstag konnte ich gar nichts. Die OP war am Donnerstag gewesen, am Freitag hatte ich den Rollstuhl gekriegt und einen Mordsschwindel, der mich den ganzen Nachmittag und Abend ausgeknockt hat und als der Samstagmorgen kam, war ich, wie ein Baby auf Unterstützung in fast allen alltäglichen Dingen angewiesen. Ja, mein Sohn hat letzten Samstag dann das Mobilitätstraining mit mir gemacht und ich hatte dann eine ganze Woche Zeit zu üben. Meistens schaffe ich es allein aufs Klo, aber nicht immer. Wenn ich etwas transportieren will und gleichzeitig den Rollstuhle bedienen muss, sprich die Räder mit Handarbeit und Muskelkraft bewegen muss, brauche ich entweder eine clevere Möglichkeit für den Transport oder eben Hilfe von außen. Wasserkocher bedienen geht nicht, steht zu hoch… so viele Kleinigkeiten, die sonst selbstverständlich waren, funktionieren jetzt entweder gar nicht oder nur mit Hilfe.
Und die größte Herausforderung bei all dem war nicht in erster Linie, dass manches eben nicht so geht, wie man gerne will, sondern sich nicht entmutigen zu lassen. Es gab Momente, in denen ich mich einfach unnütz gefühlt habe, in denen es schwer war, zu akzeptieren, dass von jetzt auf gleich alles nicht mehr geht. Wobei, es war nicht jetzt auf gleich. Ich hatte es erwartet. Ich hatte damit gerechnet. Ich war eigentlich schon darauf eingestellt gewesen und trotzdem hat es mich kalt erwischt. Trotzdem tut es weh und trotzdem kostet es Kraft gegen Hoffnungslosigkeit und Entmutigung zu kämpfen. Und dass, obwohl ich weiß, dass es nur vorübergehend ist. Wie muss es jemandem gehen, der dauerhaft auf einen Rollstuhl und auf Hilfe angewiesen ist?
Ich gebe es zu, ich bin ehrlich dankbar, dass diese Zeit absehbar ist. 6-8 Wochen ist lang, aber keine Ewigkeit. Und ich freue mich schon darauf, wieder laufen zu dürfen.
Mein Horror
Die Hindernisse in meiner Wohnung waren das eine. Das andere war die Schwierigkeit, die Wohnungzu verlassen. Und das war mein großer Horror. Denn um den Gang vor dem Haus zu erreichen, muss ich insgesamt fünf Stufen überwinden und nur eine davon konnte ich mit dem Rollstuhl meistern, die anderen vier hätte ich nach wie vor auf einem Bein und zwei Krücken hüpfend überwinden müssen.
Zum Glück hatten wir eine verständnisvolle Mitarbeiterein eines Sanitätshauses und einen tollen Techniker dort. Mit kreativen und unkonventionellen Lösungen haben sie uns eine Rampe zur Verfügung gestellt, mit der ich nun, mit Hilfe meines Sohnes die Treppe meistern kann. Auf zwei zugegebenermaßen schmalen Metallplanken und mit einer ziemlichen Schräge und rückwärts bergab. Das erfodert von meiner Seite echt Mut und Vertrauen, denn das ist ein heftiges Gefühl, weil man es selber gar nicht in der Hand hat. Und hey, ich bin schwer. Ich weiß, was ich meinem Sohn zumute.
Die Lesung im Kirchbühl findet tatsächlich statt
Manchmal sind es nicht nur die Geschichten in den Büchern, die das Abenteuer ausmachen – sondern die, die wir selbst erleben, wenn wir sie in die Welt tragen. Und dieses Abenteuer war eins, dass ich mir soooo nie ausgesucht hätte. Die Heldin sitzt im Rollstuhl und fühlt sich alles andere als heldenhaft, denn ohne Hilfe geht nichts. Selbst die Vorbereitungen wären allein ein Unding gewesen. Es bleibt also festzuhalten: Jeder Superheld braucht einen Heldenhelfer!!! Oder mehrere, wie in meinem Fall.
Vorbereitungen: Von Flyern und mehr
Am Donnerstag habe ich angefangen, Flyer zu kreieren, okay, das geht am Laptop und damit im Bett, im Rollstuhl, überall, wo ich gerade herumhänge. Aber schon das Ausdrucken am Freitag wird zu einem Hürdenhindernisparcour für Rollifahrer. Denn der Wäscheständer steht im Weg, ebenso der große Bürostuhl meines Mannes. Als ich mich endlich eingeparkt hatte am Schreibtisch, musste ich mich strecken um ans Druckerkabel und den Einschaltknopf zu kommen, aber ich habs geschafft und konnte also meine Papiere eigenhändig drucken. Darunter nicht nur die Flyer, sondern den Lesungstext aus meinem Buch in großer Schrift, mit großem Zeilenabstand. Fürs Vorlesen ist es von Vorteil, wenn man den Text problemlos erkennen kann, auch dann, wenn man zwischendrin mal hochguckt und den Leuten ins Gesicht blickt.
Am Samstag morgen habe ich dann allein und im Rolli aus meinen Mittelalterkisten mein Kleid gesucht mit dem hellen Untergewande und dem grünen Überkleid. Dazu die Accesoires wie Löffel, kleines Messerchen und den Beutel mit den Knochenwürfeln. Mein Mann hat dann meine Bücher nach meiner Anweisung gepackt und später dann auch alles passend im Auto verstaut. Zu den Büchern kam noch eine Tasche mit der Geldkassette, den Lesezeichen und den Ordnern mit meinen Texten und Flyern.
Die Logistik selbst in kleinen Dingen ist herausfordernd
Beim Haarewaschen und Ankleiden brauchte ich dann wieder Hilfe, diesmal wurde meine Tochter aktiv und hat mich mit ganz viel Geduld und Liebe begleitet. Haarewaschen im Bett ist schon für sich genommen ein Abenteuer. Als ich dann schnieke und angekleidet mit Mittelaltergewand und Pelzkragen im Rolli saß, war immerhin der erste Teil geschafft. Aber die eigentliche Logistikherausforderung begann ja erst.
Wenn mir jemand vor ein paar Wochen gesagt hätte, dass ich mich rückwärts eine Rampe runtermanövrieren lassen muss, um meine Bücher zu verkaufen – ich hätte laut gelacht. Aber hey, an diesem 08.03.2025 war genau so ein Tag! Und was soll ich sagen? Es hat sich mehr als gelohnt!
Nachdem ich also mit Hilfe meines Sohnes die vier Stufen geschafft hatte und ins Auto verladen worden war, mussten noch der Rollstuhl, die Rampe, die Bücher, die Tasche eingepackt werden und zu guter Letzt haben wir noch eine Freundin eingesammelt, die auf den Beifahrersitz durfte, denn ich saß mit meinem Bein ausgestreckt auf der Rückbank.
Das Kirchbühl in Schönau im Schwarzwald war unser Ziel. DIe Besitzerin des Hotels hatte mich zur Lesung anlässlich ihrer Frühlingsteeparty eingeladen. Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt durchs große Wiesental kamen wir an. Auch am Zielort angekommen, war es nochmal eine logistische Meisterleistung mich in den Essraum des Hotels zu bugsieren, aber mit Rampe und Unterstützung der Freundin hat auch das geklappt. Wir waren so früh, dass noch keine Gäste anwesend waren und wir den besten Platz aussuchen konnten. Ich hab mich in eine Lücke zwischen zwei Tischen vors Fenster geparkt und hatte damit den ganzen Raum im Blick. Das war auch ideal für die Lesung selbst.
Die Lesung, der Raum, das Ambiente: britische Frühlingsteeparty meets episch-fiktives Mittelalterabenteuer
Der Raum war ein Gedicht: Blättertischdecken auf einladend gedeckten Tischen, dazu Osterglocken, Kerzengläser und weißes, getupftes Geschirr, das beinahe wie ein Möwenei aussah. Umgeben von alten, rustikalen Holzbalken und liebevoll arrangierter Dekoration strahlte alles eine warme, einladende Atmosphäre aus. Es gab Schälchen mit clotted Creme, kleine Gläschen mit Erdbeer- und Pfirsichmarmelade. Auf einer Etagere waren Sandwiches mit unterschiedlichem Belag (Eicreme, Schinken-Senf, Hähnchen mit Cranberries und Gurke-Feta-Kresse), scones und Apfelstreuselkuchen, Walnussbrownies und Dessertkugeln und weiße Schokoladenblüten drapiert. Ein absoluter Traum.

1. Runde der Teeparty
Wir begannen mit der ersten Runde der Teeparty, mit einem wunderbar sanften Darjeeling und den Sandwiches. Der Genuss war einfach überwältigend. Alles war ausgesprochen fein aufeinander abgestimmt, eine echte Gaumenfreude und man schmeckte die liebevolle Zubereitung.
In der Pause zwischen erster und zweiter Runde kam mein Moment. Ich durfte den ersten Abschnitt lesen. Länge etwa 10 bis 15 Minuten. Ich hatte eine Stelle aus dem ersten Drittel des Buches gewählt, die auch das ganze Drama erklärt, was sich in meiner Geschichte entfaltet und es kam sichtlich gut an. Besonders gefreut hat mich der Kommentar, der sagte: Oh, da will man nun aber wissen, wie es weiter geht. Ich musste grinsen, denn dazu muss man natürlich das Buch kaufen.
2. und 3. Runde der Teeparty
Im Anschluss folgte die zweite Runde Essen mit einem Grüntee und den Scones und dem Kuchen der zweiten Etagerenebene und ich hätte mich reinlegen können. Das war sooo lecker mit scones und clotted Cream und Erdbeermarmelade. Wow, zum Drinversinken. Das Essen war echt der Hammer und gab dem ganzen seine ganz eigene Prägung.
Nach der zweiten Runde kam meine zweite Lesung: Ein Rückblick, der zwei Protagonisten als Kinder zeigt und ihre besondere Beziehung zueinander. Ein paar Gluckser aus dem Publikum zeigte deutlich, wie die Gäste in die Geschichte eingetaucht sind.
Zu guter Letzt folgte die Schokoladen- und Marzipanendrunde der Teeparty mit einem Früchtetee mit Ingwer, Sanddorn und Saflor. Und im Anschluss hatte das Publikum die Möglichkeit Fragen zu stellen und mich zu löchern, wovon reger Gebrauch gemacht wurde.
Erfolg und Überraschungen
Ich durfte vor einem wunderbaren Publikum lesen, habe Applaus geerntet und meine Flyer gestreut. Mit der Besitzerin des Hotels Kirchbühl habe ich weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit besprochen, vielleicht wird es einen Schreibkurs bei ihr geben oder ich werde mit Leuten, die ich aus meiner Schreibercommunity kenne, dort mal Urlaub machen.

Und obwohl es erst gar nicht so aussah, habe ich sogar vier Bücher verkauft! Ja, es waren Bekannte dabei, aber auch jemand völlig Neues – und allein das zeigt, dass mein Buch Menschen erreicht. Das letzte Buch habe ich auf den letzten Drücker verkauft und eigentlich ist mein Mann Schuld daran. Die Freundin, die wir mitgenommen haben, hat selbst mein Buch schon lange gekauft, aber sie war auf dem Sprung zu einer Geburtstagsparty und ließ dann den Spruch fallen: Mhh ich hab noch gar kein richtiges Geburtstagsgeschenk, außer zwei Tafeln Schokolade. Eigentlich ein bisschen mau, auch wenn es besondere Sorten Schokolade sind. Und mein Mann antwortete schlagfertig: WIr haben das ganze Auto voller Bücher, die verkauft werden dürfen…. tja und grins – sie hat sich drauf eingelassen und eins meiner Bücher verkauft und verschenkt.
Grenzen sind da, um gesprengt zu werden
Rückblick:
Vor einer Woche konnte ich nicht mal allein aufs Klo – und heute habe ich eine Lesung gerockt. Die größte Herausforderung war allerdings gar nicht die Lesung selbst, sondern der Weg dorthin. Rampe hoch, rückwärts wieder runter – ein Abenteuer für sich! Aber ich habe es geschafft. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich es trotz all der Hindernisse wirklich durchziehen würde. Doch jetzt sitze ich hier, müde, aber voller Stolz.
Wie sich das anfühlt:
Es fühlt sich an wie ein Sieg. Nicht nur über die Hindernisse, sondern auch über die Zweifel. Über die kleinen Momente der Verzweiflung, in denen ich dachte: „Das schaffe ich nicht.“ Doch ich habe es geschafft. Und dieses Gefühl, es trotz aller Hindernisse durchgezogen zu haben, macht mich einfach glücklich. Und es gibt mir Kraft für alles, was noch kommt.
Ausblick:
Die nächsten Wochen werden nicht leicht, das weiß ich. Die Bewegungseinschränkung bleibt eine Herausforderung, und manches wird nur mit Hilfe möglich sein. Aber ich habe gelernt: Ich kann mehr, als ich denke. Und wer weiß – vielleicht wird diese Zeit noch mehr Überraschungen bringen. Vielleicht warten noch weitere Abenteuer auf mich. Und vielleicht, ja vielleicht, wird gerade au.de s dieser Herausforderung etwas Großartiges entstehen.
Übrigens: Mehr über mein Buch „Ansgar von Briant – Der Freund des Königs“ findest du hier! Stöber gerne ein bisschen und wenn du es bestellen willst, ist das bei mir möglich(schreib mir einfach eine Mail unter „info@kreative-schreiberei.de oder über Hugendubel, Thalia oder Amazon, Man kann es auch in der örtlichen Buchhandlung bestellen.
2 Responses
oh…liebe Martina
das hört sich ja sehr Abenteteuerlich an,bzw.liest sich sehr Abenteuetlich…wie gut ist es, eine Familie zu haben,die einem immer .beisteht und hilftIch wünsch dir in allem viel Kraft.Es tut mir so leid dass es nie geklappt hat,mal mit gemeinsamen Treffen…Jetzt hast du ja einen vollen Terminkalender…können wir uns mal treffen?
liebe grüße
Brigitte
Hallo liebe Brigitte!
Danke für deinen Kommentar. Und ja wir können uns gerne treffen, ich melde mich bei dir!
Liebe Grüße Martina