Hier kommt die nächste meiner kleinen Adventskalendergeschichten aus dem Jahre 2022. Sie hat nicht wirklich etwas mit Adventszeit zu tun, sondern viel mehr mit den Charakteren aus meiner Eloanwelt.
Liriene von Adralgar, später Liriene von Eloan, hat eine wichtige Rolle in Band 1 (Ansgar von Briant -Der Freund des Königs), während Erlanda dort noch gar nicht erscheint, vielleicht hört ihr später (in Band 2) mehr von ihr. Diese Szene und die damit verbundene Frage: Pflichtehe oder Liebe“ hat es nicht ins Buch geschafft, wäre aber wohl denkbar, dass sie dennoch auch im Originalkontext so hätte stattfinden können. So kannst du hier jedenfalls schon mal kennen lernen, wie Liriene denkt und fühlt, und warum sie so handelt, wie sie handelt. Viel Spaß beim Lesen:
Adralgar im Herbst vor der Heirat Lirienes
Haare flogen im Wind, als die Pferde über die Ebene im Kessel von Adralgar jagten. Erlanda juchzte, fühlte das Kribbeln der Geschwindigkeit in ihrem Körper. Sie liebte es, über die Ebene zu preschen, den Wind im Gesicht, das Herz frei. Je schneller, desto besser. Neben ihr jagte Liriene auf ihrem Falben dahin. Sie sah herrlich aus. Die dunklen Locken und roten Wangen. Sie lachte. Erst als sie eines der kleinen Dörfer erreichten, zügelten sie die Pferde und nickten den Menschen dort freundlich zu. Ein wenig atemlos ritten sie schweigend nebeneinander her.
Bis Erlanda es nicht mehr aushielt. Die Frage brannte seit Tagen auf ihren Lippen und nie hatte es Gelegenheit gegeben, Liriene allein zu sprechen. Aber jetzt. Jetzt wollte sie diese Gelegenheit nutzen. Sie hatte ihr diesen Ausritt abgerungen. Und wenn sie jetzt nicht fragte, würde sie es bereuen: »Willst du ihn wirklich heiraten?«
»Es ist der Wunsch meines Vaters! Und Wolfhard ist ein guter Mann!«
»Aber es bedeutet, dass du Adralgar auf immer verlassen wirst. Was wird dann mit uns?«
»Du kannst mich gerne als meine Hofdame begleiten.«
»Du weißt, dass das nicht geht. Vater braucht mich hier.«
Es folgte ein bedrücktes Schweigen. Jede hing ihren eigenen Gedanken nach. Erlanda dachte an ihre kleinen Geschwister. Es war ein Gedanke voller Liebe und Bedauern zugleich. Schließlich seufzten sie beide fast zeitgleich.
»Und ebenso geht es nicht, dass ich Wolfhard nicht heirate«, platzte Lirienes Stimme in die Stille.
»Liebst du ihn denn?«
»Das ist eine gute Frage. Er hat den Thron seines Vaters jung übernommen und er füllt diese Aufgabe gewissenhaft und mit viel Ernsthaftigkeit aus, das schätze ich sehr. Ich ehre und respektiere ihn. Alles andere wird kommen, ich kenne ihn ja kaum.«
»Wie kannst du ihn dann heiraten? Ist Liebe gar nicht wichtig?«
»Erlanda, das ist normal, deine romantische Art führt zu nichts. Es ist wichtig für Adralgar, wenn wir stabile und verlässliche Verbindungen zu Eloan haben wollen. Ich werde die Entscheidung meiner Eltern nicht in Frage stellen. Sie meinen es gut mit unserem Land und mit mir.«
»Was ist mit dir los? Sonst warst du nie so vernünftig. Manchmal wünschte ich, du wärst nicht die Prinzessin dieses Landes.«
»Aber das ist nun mal nicht zu ändern. Und du weißt genau, dass ich mit Vater gestritten habe, ob ich Wolfhard heiraten muss. Aber seine Argumente waren gut und stichhaltig. Und dann habe ich Wolfhard im letzten Frühjahr gesehen, konnte mit ihm reden, er hat mir zugehört, ist mit mir ausgeritten und ich habe gespürt, dass er sich für mich interessiert. Ich glaube, dass ich ihn lieben lernen kann. Und somit ist es entschieden, Erlanda. Ich werde ihn heiraten und alles dafür tun, dass ich ihn unterstütze bei seiner großen Aufgabe, Eloan zu regieren, zu schützen und den Frieden für sein Land zu wahren. Und vielleicht lerne ich dabei auch, ihn zu lieben.«
Vernunftehe versus Liebe? Entsteht Liebe aus Respekt?
Die mittelalterliche Vorstellung von Vernunftehen aus politischen Gründen ist uns in unserer heutigen Zeit so fern und doch hatte diese Praxis lange Bestand. Dennoch ist Erlanda uns mit ihrer romantischen Vorstellung näher. Wie geht es dir mit diesem Dialog, könntest du dir vorstellen, das Liebe aus Respekt entsteht? Für mich gehört zur Liebe schon auch, meinen Mann zu respektieren, zu ehren und ihn in den Dingen zu unterstützen, ob aber aus Respekt allein, Liebe werden kann? Ja, vielleicht, aber sicher nicht immer. Was denkst du?
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